II. Schicksale der Handschrift
Die Winsbeckin: Mutter und Tochter im Gespräch
Lehrsprüche für die deutsche Jugend
Liebesdichtung sei nur eine Lektüre für die Jungen. Wer reifer sei, interessiere sich mehr für sittliche Unterweisung. Für die erste Edition vollständiger Lieder aus dem Codex Manesse wählte der Polyhistor Melchior Goldast von Haiminsfeld im Jahr 1601 daher drei Lehrgedichte.
Allen drei Liedern ist gemeinsam, dass darin ein Vater oder eine Mutter ihr Kind rehte tun lehren möchte. Dies zeigen auch die in Kupferstiche umgesetzten Darstellungen aus dem Codex Manesse. Hier sitzt die Winsbeckin erhöht auf dem Podest, vor ihr steht ihre Tochter. Der Gestus ihrer Hände zeigt die beiden im Gespräch.
Melchior Goldast gilt als herausragende Gestalt unter den Editoren mittelalterlicher Quellen an der Schwelle vom Humanismus zum Frühbarock. Entscheidend für seine Arbeit am Codex Manesse war ein Aufenthalt bei einem Freund in St. Gallen: Dieser war als Jurist für die Herren von Hohensax-Forstegg tätig, in deren Besitz sich der Codex damals befand.
II.14 Melchior Goldast: Paraeneticorum veterum Pars I, Lindau: Brem, 1604
UB Heidelberg, D 6502 RES
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