HandSchrift – Bewährt mit Pinsel und Feder
Ein Beamter im Odenwald und ein Buch voll fremdländischer Abenteuer
Der Kodex vereinigt deutschsprachige Texte von unterhaltendem bis lehrhaft-moralisierendem Charakter: Jean de Mandevilles Reisebericht und das Gedicht des Michel Wyssenherre über dem „edeln hern von Bruneczwigk“. Der Schreiber und Maler nennt sich Hans von Gochsheim, Zentgraf in Modau, dem im Odenwald gelegenen Mudau.
Das Gedicht des Michel Wyssenherre basiert auf der Sage von Heinrich dem Löwen. Der hochmittelalterliche Sachsen- und Bayernherzog († 1195), seine bezeugte Pilgerreise nach Jerusalem von 1172 und das berühmte Braunschweiger Löwenstandbild – ein eindrucksvoller überlebensgroßer Bronzeguss – lieferten reale Anknüpfungspunkte für die Geschichten, die sich um den Herzog ranken.
Während die Schrift des Kodex eine routinierte Hand verrät, deuten die recht naiv wirkenden Bilder auf einen Laien. Hans von Gochsheim war als Richter des Zentgerichts und landesherrlicher Beamter ein schriftgewandter Mensch, aber mit Sicherheit kein geübter Buchmaler. Man kann nur vermuten, dass er die Handschrift nach einer Vorlage für den Eigengebrauch angefertigt hat.
Abgebildet ist hier die Episode, in der der Herzog von Braunschweig in Begleitung seines Löwen gegen Schnabelmenschen kämpft.
I.20
Michel Wyssenherre: Von dem edeln hern von Bruneczwigk als er über mer fure, Mudau (Neckar-Odenwald-Kreis), 1471/74
Papier, 115 Bll., 29 x 21 cm, 246 kolorierte Federzeichnungen
WLB Stuttgart, Cod. poet. et phil. 2° 4, Bl. 100r