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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek


Sammlung des Monats im April: Antikensammlung

„Es wäre doch eine schöne Sache für uns, würde dem badischen Staat Ehre machen und die Wissenschaft sehr fördern“ – Archäologie und Politik vor 100 Jahren

Von Polly Lohmann

Als Gründungsdatum der Antikensammlung gilt das Jahr 1848, als die Universität erstmals Mittel für die Anschaffung von Lehrmitteln bewilligte. Sie sollten das Studium der griechisch-römischen Antike am Material selbst ermöglichen. Heute umfasst die Sammlung am Marstallhof über 20.000 Objekte, darunter 8000 originale Antiken, rund 1200 großformatige Gipsabgüsse sowie viele Tausend Kopien kleiner Objekte wie Gemmen und Münzen. Abgüsse und Replikate originaler Stücke wurden im 19. Jahrhundert für viele archäologische Universitätssammlungen angeschafft, um die auf der ganzen Welt verteilten Objekte in Zusammenschau zeigen und miteinander verglichen zu können.

Zur Heidelberger Sammlung zählen auch Abgüsse des römischen Siegesmonuments „Tropaeum Traiani“ im heutigen Rumänien: es wurde wohl anlässlich des Sieges der Römer über die Daker unter Kaiser Trajan 106 n. Chr. errichtet und war ursprünglich ca. 40 m hoch. Als deutsche Soldaten 1918 als Besatzer im Ersten Weltkrieg in Rumänien standen, nutzte der Heidelberger Professor Friedrich von Duhn die Gelegenheit und ließ über 50 Gussformen von Teilen des Monuments herstellen. Vor Ort war ein Archäologe und ehemaliger Mitarbeiter von Duhns als Hauptmann stationiert, der die Abformarbeiten koordinierte. Aus den Formen (Negativen) sollten anschließend die eigentlichen Abgüsse (Positive) gegossen und für Forschungen nach Heidelberg transportiert werden. Heidelberg hätte damit einen Europa-weit einzigartigen Standortvorteil und könnte neue Forschungsergebnisse zum Tropaeum Traiani generieren.

Doch wie das ganze Unternehmen finanzieren? Und wo all die wuchtigen Gipsabgüsse (und die Formen) in Heidelberg unterbringen? Die Antikensammlung platzte bereits aus allen Nähten; trotz mehrfacher Standortwechsel herrschte permanente Raumnot. Aus den ursprünglichen Räumen in der Universitätsbibliothek (ehemaliges Jesuitengymnasium) waren archäologische Sammlung und Institut noch im 19. Jahrhundert in die Augustinergasse 7 am Universitätsplatz gezogen. Als auch dort der Platz eng geworden war, hatte man Teile des archäologischen Instituts in das „Neue Kollegienhaus“ verlagert, den Vorgängerbau der Neuen Universität. 1918, als Friedrich von Duhn die Abgüsse des Tropaeum Traiani in Auftrag gab, war die Sammlung bereits auf mehrere Standorte verteilt.

Die zahlreichen Standortwechsel der Antikensammlung und die Odyssee der Abgüsse von Adamklissi lassen sich anhand von Akten im Heidelberger Universitätsarchiv und im Generallandesarchiv Karlsruhe nachvollziehen. Diese archivalischen Quellen zeichnen ein Bild von den Forschungsinteressen, akademischen Netzwerken und regionalen Geldgebern vor 100 Jahren. Sie zeigen aber auch sehr eindrücklich die Verknüpfung von Archäologie und Politik und die unterschiedliche Bewertung eines antiken Monuments in wechselnden ideologischen Kontexten.

Im Rahmen aktueller Kontroversen um den Besitz und die museale Präsentation kultureller Hinterlassenschaften ist die Erforschung der Provenienz von Objekten zur gesellschaftlichen Verantwortung geworden: Wie sind Objekte in Sammlungen und Museen gekommen? Wie war der Erwerbungsvorgang, wie die Rechtslage? Mit der Gründung des Heidelberg Center for Cultural Heritage (HCCH) hat auch die Universität Heidelberg sich dem Thema des Umgangs mit Kulturgütern verschrieben. Zusammen mit einer Gruppe altertumswissenschaftlicher Sammlungen ist die Antikensammlung Teil des HCCH; ihre Abgüsse des Tropaeum Traiani sind ein Beispiel für erforschbare Biografien von Objekten – auch wenn es sich dabei nur um Kopien eines antiken Monuments handelt.

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Die Ausstellungsreihe "Sammlung des Monats" bietet im monatlichen Wechsel ausgewählte Stücke aus den Museen und Sammlungen der Universität Heidelberg und kann in der Zweigstelle der Universitätsbibliothek, Im Neuenheimer Feld 368, montags bis freitags von 8.30 bis 22 Uhr sowie am Wochenende von 9 bis 22 Uhr besichtigt werden.

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Kontakt zur Ausstellung im April Dr. Polly Lohmann Heidelberg Center for Cultural Heritage | Institut für Klassische Archäologie Tel.: 06221-54 25 15 Polly.Lohmann@uni-heidelberg.de

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