Eine datenbankgestützte Analyse mediterraner Gewalt Seeraub im Mittelalter
Ziel des Projekts ist es, die Geschichte eines Phänomens neu zu schreiben, das oft vereinfachend und irreführend als „Piraterie“ bezeichnet, hier aber umfassender als gewaltsame Güterwegnahme zur See analysiert wird. Dazu wird ein innovatives Recherche-Tool geschaffen, welches Seeraub als flexible und fernräumlich vernetzte Form des Wirtschaftens analysierbar machen wird. Zwei komparatistische Studien erproben das heuristische Potenzial des Ansatzes.Das Projekt dürfte einen Paradigmenwechsel im Forschungsfeld der maritimen Geschichte Europas markieren. Im Gegensatz zu etablierten Untersuchungsansätzen, die kriegerische Beziehungen zwischen Staaten, Aktivitäten regulärer Flotten oder friedlichen Fernhandel fokussieren, wird es nichtstaatliche und halbstaatliche Formen maritimer Gewalt analysieren und ihre engen Verbindungen zu Fernhandelsnetzwerken, spezifischen Akteursgruppen und internationaler Politik aufdecken. Das Vorhaben ist nicht nur aus mediävistischer Fachperspektive relevant, sondern auch hochaktuell, wie die vielen hundert Fälle von Seeraub belegen, welche noch im 21. Jahrhundert Jahr für Jahr verzeichnet werden. Das Projektteam wird das Mittelmeer in eine Geschichte substaatlicher Gewalt einschreiben und zugleich die Sensibilität für Dauer und Dynamik eines bislang zu wenig beachteten Forschungsgegenstands erhöhen.Als Output des Vorhabens werden im Jahr 2026 zwei Monographien, eine Aufsatzsammlung sowie eine relationale „Datenbank Mittelalterlichen Mediterranen Seeraubs“ (DMMS) vorliegen. Diese wird nicht nur programmiert und in Betrieb genommen, sondern mit Primärquellen (Regesten und in Einzelfällen Volltexten) aus vier maßgeblichen mediterranen Handelszentren angefüllt. Die DMMS wird der Überprüfung existierender Theorien dienen, die auf begrenzten Quellencorpora aufbauen. Darüber hinaus wird sie es ermöglichen, neue Fragen zu entwickeln und mittels komplexer, relationaler Datenabfragen zu beantworten.Die beiden Monographien werden diese Potenziale verdeutlichen und robuste, vergleichende Fallstudien zum Seeraub im östlichen und westlichen Mittelmeerraum liefern. Ein internationaler Workshop soll die Nutzbarkeit der Datenbank testen, die Perspektiven des Projekts erweitern und ein Netzwerk von Fachleuten knüpfen, welches die Erweiterung und nachhaltige Pflege der Datenbank sicherstellen wird.Die Quellen, welche die Basis dieses Projektes bilden, entstammen Editionen, vor allem aber vier der bedeutendsten Archive des Mittelmeerraums. Sie werden von zwei NachwuchswissenschaftlerInnen aufgenommen, die nicht nur Erfahrung in Aufbau und Pflege von Datenbanken besitzen und in der Sachthematik ausgewiesen sind, sondern bereits mit diesen Archivbeständen gearbeitet haben. Eine Postdoktorandin, die bereits umfangreiches Material erfasst hat, wird darüber hinaus zeitgenössische Haltungen zum Seeraub analysieren und für den Aufbau der Datenbank verantwortlich sein.
Laufzeit: 2022–