Ermittlungen von NS-Raubgut in den Zugängen der Jahre 1933-1945 der Universitätsbibliothek Heidelberg

Die Universitätsbibliothek Heidelberg ist die Zentralbibliothek der Universität Heidelberg. Ihre Aufgabe ist die Bereitstellung von Literatur und Information für die Angehörigen der Hochschulen Heidelbergs sowie für die Einwohner der Stadt und Region. Mit einem Gesamtbestand von ca. 6,1 Mio. Medieneinheiten (inkl. Bibliothekssystem) ist sie eine der meistbesuchten und meistgenutzten UBs in Deutschland. Sie ist nicht nur die älteste, sondern gehörte bereits 1933 mit über einer Millionen Bänden auch zu den größten deutschen Universitätsbibliotheken. Bis 1943 wuchs dieser Bestand auf etwa 1,2 Millionen Titel an. Dank rechtzeitiger Auslagerungen blieb der größte Teil der Bücher vor Kriegsschäden bewahrt. Bibliotheksdirektor war ab 1922 Rudolf Sillib, auf den nach einer kurzen Interimszeit 1935 Karl Preisendanz folgte; im Zuge der Entnazifizierung wurde dieser Ende 1945 entlassen. Bekannt ist bezüglich der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Buchbesitz bislang nur, dass die UB spätestens ab 1935 Bücher aus konfiszierten Beständen übernommen hat. Darüber hinaus wurden während des Krieges Bücher im besetzten Ausland erworben. Dies geschah zum Teil durch Ankauf, doch fehlen hierbei Informationen über mögliche Vorbesitzer. Möglicherweise hat es darüber hinaus aber weitere Zuweisungen aus anderweitig konfiszierten oder geraubten Buchbeständen gegeben. Einige Verdachtsmomente deuten darauf hin, dass die UB ihre entsprechenden Zugänge nach dem Krieg nicht oder nur unvollständig deklariert hatte, als die amerikanische Militärregierung mit entsprechenden Restitutionsforderungen an sie herangetreten war.

Gegenstand des beantragten Projektes, das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert wird, soll daher zum einen die vollständige Aufarbeitung aller die Erwerbungen zwischen 1933-1945 betreffenden Akten sein. Geklärt werden soll sowohl die Erwerbspolitik als auch die Provenienzen der in dieser Zeit in den Bestand eingegliederten Bücher. Der inhaltliche wie quantitative Schwerpunkt liegt aber auf der Ermittlung der Bücher, die in der Zeit des ›Dritten Reiches‹ ihren Vorbesitzern verfolgungs- oder kriegsbedingt entzogen wurden. Dabei handelt es sich vor allem um jene Zugänge, die entweder auf antiquarische Anschaffungen zurückgehen oder bei denen der Verdacht auf eine Provenienz aus den besetzten Gebieten besteht. Die geplante Vorgehensweise ist durch eine spezifische Überlieferungssituation bedingt. So wird die Recherche maßgeblich dadurch eingeschränkt, dass die Erwerbungen der UB bis 1962 nicht nach Zugangsjahren, sondern nach Sachgruppen aufgestellt waren. Hinzu kommt, dass ab 1939 keine Akzessionsbücher mehr vorliegen. Ohnehin sind in diesen nur die „regulären“, also durch Ankauf erfolgten Erwerbungen erfasst. Nicht aufgenommen wurden Bücher, die etwa durch Tausch oder als Geschenk in die UB gelangten. Einen vollständigen Überblick über sämtliche Zugänge liefern ausschließlich die handschriftlich verfassten Karteikarten, auf denen das Zugangsjahr bzw. bei getauschten oder geschenkten Titeln das exakte Zugangsdatum vermerkt worden ist.

Eine systematische und zeitintensive Überprüfung dieser älteren Karteikarten ist daher unumgänglich, um die Zugänge ab 1933 zu erfassen. Alle auf diese Weise als verdächtig eingestuften Bücher sollen listenmäßig erfasst, per Autopsie auf ältere Besitzhinweise überprüft und ggf. dokumentiert werden, um abschließend in weiterer Recherche mögliche Vorbesitzer und deren Nachfahren ermitteln zu können.

Laufzeit: 01.03.2023–28.02.2025

NS_Raubgut_Karte