6.10.2023 Codex Manesse: Festakt zur Übergabe der UNESCO-Urkunde „Memory of the world“
Im Rahmen eines Festakts in der Alten Aula am 19. September wurde die Aufnahme des Codex Manesse, der großen Heidelberger Liederhandschrift, in das UNESCO-Weltdokumentenerbe „Memory of the World“ feierlich begangen. Zu Beginn erinnerten Rektor Prof. Dr. Bernhard Eitel und Prof. Dr. Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, an die Bedeutung des kulturellen Vermächtnisses im Spiegel dieses einmaligen Erinnerungsobjekts. Anschließend wurde die Urkunde von Knut Zuchan, Leiter der Arbeitseinheit für Multilaterale Kulturpolitik/UNESCO im Auswärtigen Amt, zusammen mit Prof. Böhmer an Prof. Eitel und Bibliotheksdirektor Dr. Veit Probst übergeben. Prof. Eitel übertrug die Verantwortung für die Aufbewahrung der Urkunde an die UB und regte die Digitalisierung und Ausstellung an.
In seinem Vortrag über den Codex Manesse im „Gedächtnis der Menschheit“ breitete der Historiker Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, Vorsitzender des Deutschen Nominierungskomitees für das UNESCO-Programm, das Panorama bereits ausgezeichneter Objekte des Weltdokumentenerbes aus. Er wies damit auf den Kontext hin, in dem der Codex in Zukunft stehen wird. Rund 450 schriftliche Zeugnisse wurden weltweit bisher ausgezeichnet, darunter die 42-zeilige Gutenbergbibel, das Lorscher Arzneibuch, die Magna Carta, Dokumente aus dem Strafverfahren gegen Nelson Mandela, zuletzt auch der Behaim Globus und Dokumente der Hanse. Vertreten waren in seinen Beispielen Zeugnisse aus allen Weltregionen und großen Religionen.
Bibliotheksdirektor Dr. Probst stellte im anschließenden Vortrag die Bedeutung des Codex Manesse und die Überlieferung der Handschrift in den Mittelpunkt. Von dem Text der rund 6.000 Strophen ist die Hälfte nur hier überliefert. Berühmt wurde die Handschrift zudem durch die 137 Autorenbilder, die in sehr prägnanter Weise ein Bild dieser Zeit vermitteln und über die Jahrhunderte hinweg vielfach abgedruckt wurden. Auch die Zeiten unklarer Überlieferung blieben in dem Vortrag nicht unerwähnt. Der Codex sei, so Dr. Probst, „ein Buch mit sieben Siegeln“: Die Entstehungszeit im frühen 14. Jahrhundert im Züricher Raum ist zwar bekannt, unklar bleiben aber der genaue Entstehungsort sowie die Überlieferung bis zum späten 16 Jahrhundert. Erst 1607 ist die Handschrift sicher in Heidelberg nachgewiesen, dann wieder 1657 in der königlichen Bibliothek in Paris. Vermutlich wurde der Codex 1622 auf einem “Blitzbesuch” von Friedrich V. in Heidelberg mitgenommen. 1888 wiederum kam die Handschrift über einen Dreieckshandel unter deutscher, französischer und englischer Beteiligung zurück nach Heidelberg.
Beeindruckend ist auch das Interesse an der digitalen Version. Dieses spiegelt sich in jährlich rund 500.000 Seitenaufrufen aus 137 Ländern der Welt wider.
Dass der Kodex nicht nur als Objekt ein Teil der Menschheitsgeschichte ist, sondern es sich bis heute um ein zeitloses Stück Literatur handelt, wurde im abschließenden Vortrag von Prof. Dr. Ludger Lieb vom Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg deutlich. Prof. Lieb analysierte verschiedene Konzeptionen mittelalterlicher Liebe anhand von zwei Gedichten und präsentierte diese dabei in gesungener Form. Alle Zuhörerinnen und Zuhörer in der Alten Aula konnten so erleben, dass es sich beim Codex Manesse um ein weiterhin lebendiges Stück mittelhochdeutscher Literatur handelt - nun als Teil des Weltdokumentenerbes.