III. Die Entdeckung der höfischen Liebe
Was ist Minne? Antworten auf eine schwierige Frage
„Proben der alten schwäbischen Poesie”
Bodmers „Proben” sind ein frühes Beispiel für die Veröffentlichung und Rezeption mittelalterlicher Lyrik im 18. und 19. Jahrhundert. Mit seiner Ausgabe aus dem Jahr 1748 machte Bodmer eine Auswahl von 81 Liedern aus dem Codex Manesse der Öffentlichkeit zugänglich.
Die Auswahl und der Schwarz-Weiß-Abdruck der Miniaturen sollten, so Bodmer im Vorwort, auf die „Manessische Handschrift” neugierig machen. Zu den „Proben” gehörte auch eines der berühmtesten Liebeslieder Walthers von der Vogelweide – das Lied Saget mir ieman, waz ist minne. Walther gibt auf die Frage eine programmatische Antwort. Wahre Liebe findet sich nur dort, wo sie erwidert wird: „Liebe ist das Glück zweier Herzen. / Ist sie gleich verteilt, dann ist da Liebe. / Wenn sie aber nicht geteilt wird, / so kann ein Herz allein sie nicht halten.” Mit der Forderung nach einer gegenseitigen, erwiderten Liebe wendet das Lied sich gegen die praktisch unerfüllte Liebe im Konzept der Hohen Minne.
III.6a Johann Jakob Bodmer: Proben der alten schwäbischen Poesie des dreyzehnten Jahrhunderts. Aus der Maneßischen Sammlung
Zürich: Heidegger und Comp., 1748, S. 92f.
UB Heidelberg, G 4898 RES