II. Schicksale der Handschrift
„auf der vogelweide” von Ulrich Zimmermann und Rainer Arno Stiefvater
Auf der Vogelweide
Ich saz ûf eime steine / und dahte bein mit beine. / dar ûf sazte ich den ellenbogen, / ich hete in mîne hant gesmogen / mîn kinne und ein mîn wange. Mit diesen Worten hat Walther von der Vogelweide die ihm im Codex Manesse zugewiesene Denkerpose selbst angelegt.
Ulrich Zimmermann montiert und spielt mit den Worten Walthers: „decke / bein mit bein / klemme / gehörig meinen trieb // gebe dem reinen / geist eine / unsinnige chance // setze / den ellenbogen an / rutsche ab / kippe vor / falle hin // pech gehabt”. Die unbestimmte Wiese, auf der der denkende Dichter im Codex Manesse ruht, hat Zimmermann in seinem Titel kurzerhand „auf der vogelweide” lokalisiert. Die Graphik von Rainer Arno Stiefvater über Zimmermanns Zeilen zeigt freilich die Silhouette eines Stuhls: Auf ihm balanciert der Denker – noch vor dem Absturz – mit kunstvoll verknoteten Beinen .
II.23b Ulrich Zimmermann: auf der vogelweide. Gedicht, in: Ders.: Stinkmorcheln, Rastatt 1973, S. 60
UB Heidelberg, 2010 C 1329
© Ulrich Zimmermann und Rainer Arno Stiefvater