C. Blüte und Gefährdung in der Weimarer Republik (1919 bis 1933)
- Jüdische Hochschullehrer in der Weimarer Republik
- Herausragende Vertreter der Philosophischen Fakultät: Friedrich Gundolf und Eugen Täubler
- Erschütterung des „Heidelberger Geistes”: der Fall Emil Gumbel
II. Jüdische Hochschullehrer in der Weimarer Republik
Das demokratische Deutschland ermöglichte jüdischen Gelehrten einen ungehinderten Zugang zu den höchsten akademischen Ämtern, doch öffneten sich nicht alle Hochschulen den jüdischen Wissenschaftlern gleichermaßen. Während die Universitäten Berlin, Frankfurt/Main, Heidelberg, Breslau und Göttingen als offen und liberal galten und einen hohen Anteil jüdischer Dozenten hatten, gehörten an den Universitäten Königsberg, Tübingen, Erlangen, Jena und Marburg nur wenige oder überhaupt keine Juden zum Lehrkörper.
Die Universität Heidelberg galt zur Zeit der Weimarer Republik als eine der wissenschaftlich bedeutendsten deutschen Universitäten und genoss den Ruf einer liberalen „Musteruniversität”. Der „Heidelberger Geist”, geprägt von Gelehrten wie Max und Alfred Weber, dem Philosophen Karl Jaspers, dem Juristen Gustav Radbruch und dem Theologen Martin Dibelius, strahlte weit in das gesellschaftliche und politische Leben hinaus und zog viele jüdische Gelehrte und Studenten an. Gemeinsam schufen sie das spezifische weltoffene Klima, das die Universität - verbunden mit wissenschaftlicher Exzellenz - in den ersten drei Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts kennzeichnete.
Der Anteil jüdischer und konvertierter Hochschullehrer jüdischer Herkunft in Heidelberg erreichte zu Beginn der 20er Jahre mit 18% ihr Maximum und blieb relativ konstant; 1932 waren es noch 15%. Hinsichtlich der Verteilung in den Fakultäten lässt sich eine deutliche Verschiebung hin zu den Fächern der Philosophischen Fakultät erkennen: 35% der jüdischen Dozenten und Professoren lehrten dort. Einen traditionell hohen Anteil jüdischer Hochschullehrer gab es in der Medizinischen Fakultät mit 40%, in der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät waren sie mit 15% vertreten. Jurisprudenz wurde von 10% der jüdischen Hochschullehrer gelehrt.
Herausragende Vertreter der Philosophischen Fakultät: Friedrich Gundolf und Eugen Täubler
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Erschütterung des „Heidelberger Geistes”: der Fall Emil Gumbel
Ein Vorgang, der die Universität Heidelberg tief erschütterte, war der „Fall” des Privatdozenten und späteren außerordentlichen Professors Emil Gumbel, der das Fach Statistik neun Jahre lang in Lehre und Forschung vertrat.
Gumbel war entschiedener Republikaner, Sozialist und Pazifist und war bereits vor seiner wissenschaftlichen Laufbahn als politischer Autor und Justizkritiker hervorgetreten. Auch während seiner Beschäftigung als akademischer Lehrer setzte er seine Tätigkeit als anti-nationalistischer Redner und als politischer Journalist fort, was im Jahr 1924 zu einem ersten Disziplinarverfahren der Universität wegen angeblicher Verunglimpfung der Gefallenen des Ersten Weltkrieges führte. Das auf Betreiben der Philosophischen Fakultät eingeleitete Verfahren zog sich fast ein Jahr lang hin, wurde aber schließlich eingestellt. Die Fakultät veröffentlichte im Mai 1925 in einer Presseerklärung eine ausführliche Begründung ihres Beschlusses, in dem sie sich jedoch entschieden von ihrem Mitglied Emil Gumbel distanzierte.
1930 wurde die akademische Öffentlichkeit erneut auf ihn aufmerksam, als der Kultusminister ihm ohne Befragung der Fakultät den Professorentitel verlieh, welcher ihm nach mehrjähriger Lehrtätigkeit zustand. Die nationalsozialistisch orientierten Studenten, die inzwischen an der Universität stark an Einfluss gewonnen hatten und bei den politischen Gruppierungen dominierten, verschärften ihre nationale und antisemitische Agitation gegen Gumbel.
Eine weitere, angeblich „die nationale Ehre” verletzende Äußerung Gumbels führte zwei Jahre später zu einem zweiten Disziplinarverfahren. Diesmal entzog die Fakultät ihm die Venia legendi: Das vermeintlich „nationale Interesse” wurde für wichtiger gehalten als das Recht der freien Meinungsäußerung. Dabei wurden Gumbel immer seine politische Einstellung sowie seine fehlende moralische Eignung als Hochschullehrer vorgeworfen, antisemitische Motive lassen sich bei seiner Entlassung im Lehrkörper nicht nachweisen. Seine wissenschaftliche Bedeutung wurde nicht angezweifelt. Dagegen war der Protest der Studenten gegen ihn stark judenfeindlich geprägt.
Der „Fall Gumbel” zeigt die Grenzen der Heidelberger Liberalität und verdeutlicht, wie stark das Nationalbewusstsein als eine Art „säkulare Religion„ auch in der Professorenschaft verankert war. Mit der Erschütterung des „lebendigen Geistes” kündigte sich gleichzeitig das Ende der Republik an.
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