II. Gustav Radbruch (1878-1949)
„Die Radbruchsche Formel”
Während der Zeit des Nationalsozialismus und der Erfahrung äußersten staatlichen Unrechts relativierte Radbruch sein positivistisches Rechtsverständnis. Er entwickelte die These „von der Unverbindlichkeit gesetzlichen Unrechts”, die als „Radbruchsche Formel” in die Rechtssprechung eingegangen ist.
Radbruch legte diese These 1946 in einem nur dreiseitigen Aufsatz mit dem Titel „Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht” dar. Diese Veröffentlichung wurde zu einer der bedeutendsten juristischen Schriften des 20. Jahrhunderts. Einerseits konnte auf ihrer Grundlage das Unrecht des NS-Regimes verfolgt werden, und andererseits besaß die Formel auch in den Mauerschützenprozessen von 1991 Relevanz.
Juristisch geht es hier um die Feststellung, dass Gesetze im Regelfall zwar verbindlich sind, dass sie aber im Falle eines übermäßigen Widerspruchs zur Gerechtigkeit zum „unrichtigen Recht” werden und die „Gerechtigkeit” Vorrang erhält.
Gustav Radbruch: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: Ders., Gesamtausgabe, Bd. 3: Rechtsphilosophie III, bearb. von Winfried Hassemer,
Heidelberg 1990, S. 83-93
UB Heidelberg, 87 A 8337::3