Josef Durm - Forscher auf dem Gebiet der Archäologie
Durms Interesse als Bauforscher und Gelehrter gilt zeitlebens neben der Baukunst der Renaissance auch der der Antike. Viele seiner Studienreisen führen ihn regelmäßig zu Stätten antiker Kultur, an denen er umfangreiche Untersuchungen und Messungen durchführt. In seinen aus dieser Forschungstätigkeit resultierenden zahlreichen Publikationen nimmt er wiederholt auch zu Fragen der Entwicklung der antiken Architektur und Bautechnik Stellung. Sie bleiben auch im Ausland nicht unbeachtet und begründen seinen Ruf als kenntnisreichen Archäologen, engagierten Denkmalpfleger und Gelehrten von internationalem Rang. Die beiden nachfolgend skizzierten Ereignisse, die von der Fachwelt mit Aufmerksamkeit verfolgt wurden, vermitteln exemplarisch einen Eindruck davon, welches Renommée Durm auch außerhalb seiner Heimat genoß.
Der „Kampf um Troja”
Im Jahre 1890 reist Durm nach Hissarlik in Kleinasien, um das Ausgrabungsfeld, in dem die mit den dortigen Ausgrabungen befaßten Archäologen Heinrich Schliemann und Wilhelm Dörpfeld das untergegangene Troja sehen, einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Hintergrund dieser Reise ist ein Streit zwischen Schliemann und Dörpfeld einerseits und Ernst Bötticher andererseits, der sowohl Schliemann als auch dessen Mitarbeiter der Lüge und sogar der Fälschung im Bezug auf die Ergebnisse ihrer Ausgrabungen bezichtigt.
Durm gehört nicht zu den 14 Gelehrten der international besetzten Expertenkommission, die auf Einladung Schliemanns im März 1890 das Ausgrabungsfeld besucht und die mit ihrem Gutachten eine Entscheidung in dem schon lange währenden Streit herbeiführen soll, sondern reist erst im April desselben Jahres nach Kleinasien ab. Durm tritt die Reise auf Wunsch Schliemanns und Dörpfelds an, die seinem fachlichen Urteil offensichtlich einige Bedeutung beimessen.
In den Berichten, die Durm nach seiner Rückkehr im Centralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht, stützt er anhand zahlreicher Beispiele und Vergleiche Schliemanns Theorien weist jedoch auch auf einige Fehler bei den Ausgrabungsarbeiten und daraus resultierende Fehlschlüsse hin. Die Berichte finden eine breite Leserschaft und tragen neben dem Urteil der Expertenkommission dazu bei, die Schliemannsche Position zu stützen und diesem zu Genugtuung und Anerkennung zu verhelfen.
Die Akropolis in Athen nach dem Erdbeben von 1894
1894 erreicht Durm auf Vermittlung des Direktors der Berliner Museen, ein Ersuchen der griechischen Regierung: Er möge ein Gutachten über die Schäden erstellen, die an verschiedenen Bauten vor allem auf der Akropolis durch das Erdbeben im Frühjahr des Jahres verursacht wurden. Insbesondere solle er den Zustand eines der bedeutendsten Bauwerke des griechischen Altertums, des Parthenon, beurteilen und Vorschläge bezüglich der Maßnahmen zur Erhaltung und Sicherung desselben unterbreiten. Ein zunächst eingesetzter Ausschuß kommt zwar zu dem Schluß, daß das Bauwerk durch das Erdbeben nicht übermäßig in Mitleidenschaft gezogen worden sei, stellt aber gleichzeitig fest, daß der besorgniserregende Gesamtzustand des Bauwerkes Sicherungsmaßnahmen dringend erforderlich mache. Durch die griechische Regierung wird deshalb eine internationale „Commission für die Consolidierungsar-beiten am Parthenon” einberufen, der neben Durm auch der Franzose Lucien Magne und der Engländer Francis Penrose angehören. Die Leitung der auszuführenden Maßnahmen wird schließlich Josef Durm übertragen. In diesem Zusammenhang veröffentlicht Durm neben einigen kleineren Artikeln 1895 die Schrift „Der Zustand der Antiken Athenischen Bauwerke auf der Burg und in der Stadt”, in der er den Zustand der Bauwerke beschreibt und die von ihm getroffenen Maßnahmen zum Schutz vor weiterem Verfall erläutert.
Für seine Verdienste um die Erhaltung des Parthenon und anderer Bauwerke wird Durm noch im selben Jahr durch König Georg von Griechenland das Kommandeurkreuz des Erlöserordens verliehen.
Literatur
- Josef Durm, Das korinthische Kapitell in Phigaleia, in: Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts, Bd. 9 (1906), S. 288-294
- Josef Durm, Sendschreiben an Herrn Cavvadias in Athen [im Zusammenhang mit den Konsolidierungsarbeiten am Parthenon] (1906)
- Josef Durm, Das Grabmal des Theoderich zu Ravenna, in: Zeitschrift für bildende Kunst N.F. 17 Heft 10 (1906), S. 245-259
- Josef Durm, Über vormykenische und mykenische Bauformen, in: Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts, Bd. 10 (1907), S. 41-84
- Josef Durm, Nochmals das Grabmal des Theoderich zu Ravenna, in: Zeitschrift für bildende Kunst N.F. 19 Heft 8 (1908), S. 211-215
- Josef Durm, Der Tumulus auf der Vase von Vagnonville in Florenz ,1908 (Typoskript)
- Josef Durm, Ein Kuppelgewölbe über quadratischen Raum einer Grabkammer zu Vetulonia, 1908 (Typoskript)
- Josef Durm, Die Gesetzmäßigkeit der griechischen Baukunst und die daraus sich ableitende, mathematisch genaue Rekonstruktion aller Teile des äußeren und inneren Aufbaues des dorischen Peripteratempels, in: Zeitschrift des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine 1. Jahrgang Nr. 22 (1912), S. 198-202
Josef Durm als Architekt in Heidelberg, Karlsruhe, Baden-Baden und Freiburg i.Br.