Karl Zangemeister: Bauprogramm vom 04. November 1897
A. Erfordernisse im Allgemeinen.
- Der Neubau muß in der Nähe des Universitätsgebäudes liegen.
- Er muß vor Hochwasser- und vor Feuersgefahr sicher sein.
- Es muß eine spätere Vergrößerung, besonders der Bücherräume möglich sein.
- Das Gebäude darf dem Straßenlärm, dem Staub und Rauch nicht allzusehr ausgesetzt sein.
- Das Gebäude muß hinreichend Licht haben.
- Der Entwurf des Bauplans muß von dem für die Bibliotheksverwaltung Nothwendigen und Zweckmäßigen, also bezüglich der Bücherräume von den Regalen, nicht von der Fassade ausgehen.
- Die Geschäftsräume müssen von den Bücherräumen abgetrennt sein, wie z.B. in Stuttgart.
- Die Räume müssen hell sein und gute Ventilation besitzen, vor Allem der Lesesaal.
- Es ist eine Centralheizung anzulegen, auch für die Bücherräume. Bei letzterer genügt es, wenn in besonders kalten Wintern die Temperatur bis auf 12° Celsius (es ist dies die vom engeren Senat gewünschte Höhe) gebracht werden kann.
- Es ist elektrische Beleuchtung anzulegen in den Verwaltungsräumen, sowie im Souterrain, nicht aber in den Büchermagazinen (vorausgesetzt, daß diese bei Tage hell genug sind) und nicht in den Handschriftengewölben. Die Räume für den Gasometer und für die Akkumulatoren werden im Souterrain der Dienerwohnung (B. I. 20. u. 21) anzubringen sein. Daneben empfiehlt es sich, in einzelnen Räumen, besonders in dem Lesesaale, in den Lesezimmern für Handschriften und für Zeitschriften, sowie in dem Professoren-Zimmer Gas-Querbrenner vorzusehen und die Gasleitung so anzulegen, daß eventuell einzelne Räume mit Gas geheizt werden können.
- Leitern dürfen in den Bücherräumen nicht verwendet werden.
- Es ist telephonische Verbindung innerhalb des Gebäudes und mit der Stadt anzulegen.
- Es ist telegraphische Verbindung im Gebäude anzulegen.
- Alle Fenster sind mit eisernen Läden gegen Feuers- und Diebs-Gefahr zu versehen.
B. Erfordernisse im Besonderen.
I. Verwaltungsräume.
Es sind folgende Räume erforderlich:
- Ein Lesesaal für etwa 100 Arbeitende mit einem Platz für den beaufsichtigenden Beamten und einem Platz für einen Diener, ferner mit Raum für 5000 Bände von Nachschlagewerken (auch zahlreichen Folianten); letztere werden Regale von ungefähr 40 laufenden Metern bei einer Höhe von 2,2 m. erfordern. ‒ Dieser Lesesaal soll vom Verkehr auf der Straße und in der Bibliothek abseits liegen, direkt von der Straße bequem auf wenigen Stufen zugänglich sein, also im Erdgeschoß angelegt werden; namentlich aber soll er hell sein.
- Ein etwa 45 qm. in der Grundfläche großes Arbeitszimmer für die Universitäts-Professoren und Privatdozenten mit Regalen.
- Ein Zeitschriftenzimmer, in welchem die neuesten, noch nicht zu bindenden Hefte von ungefähr 2000 Zeitschriften in Fächern ausgelegt werden und das zugleich zum Benutzen dieser Hefte dient. Eventuell sollen in diesem Raum die soeben angeschafften Bücher und Hefte von Lieferungswerken, sowie die neugebundenen Bücher acht Tage lang ausgestellt werden.
- Ein Arbeitszimmer für Handschriften; dieses erfordert ganz besonders Helligkeit und Ruhe.
- Ein Katalogzimmer 1) für ungefähr 900 (je 0,08 m. starke) Folio-Bände, die zusammen ein Regal von 2,20 m. Höhe und 24 m. Länge erfordern (dieser Katalog besteht jetzt aus rund 700 solcher Folianten; der jährliche Zuwachs beträgt 10 Folianten), 2) für den Dissertationen-Katalog, der ein 5 qm. großes Regal erfordert (er nimmt jetzt ein Regal von 3,7 qm. ein). Beide Kataloge müssen bequem ohne Leiter und ohne Tritt zugänglich sein. Dieses Zimmer muß zugleich Raum von 20 qm. bieten für bibliographische Nachschlagewerke.
- Ein Zimmer für den Oberbibliothekar.
- u.
- Zwei Zimmer für die zwei Bibliothekare. Eines derselben soll nahe bei dem Katalogzimmer und den Büchermagazinen liegen.
- Ein Zimmer für die übrigen Beamten mit Platz für das Auslegen von Ansichtssendungen (auf einem in der Mitte stehenden großen, runden Tisch).
- Ein Tagraum für die Diener.
- Ein Raum für die Buchbinder, der im Souterrain angebracht werden darf.
- Ein Ausleihzimmer im Erdgeschoß, möglichst nahe am Eingang, 1) mit einem abzusperrenden Sitz des expedierenden Beamten und daneben einem großen Regal für die auszuleihenden und zurückkommenden Bücher, 2) mit Plätzen zum Schreiben für 20 Personen.
- Ein besonderes Arbeitszimmer für die Benutzung von großen Tafelwerken, Karten, Kupferstichen u.s.f. mit großen Tischen (wie in Basel und Stuttgart).
- Ein feuer- und diebessicherer Ausstellungssaal für interessante Handschriften, typographische Seltenheiten Bilder u.s.f., der zugleich als Repräsentationssaal benutzt werden soll und demgemäß auszustatten ist. Durch elektrische Weckapparate ist er mit der Diener- und Heizerwohnung (20 u. 21) in Verbindung zu setzen.
- Ein kleiner Vortragssaal, besonders für die Fälle, in denen Handschriften zu besichtigen und zu besprechen sind, die nicht ausgeliehen werden dürfen. Es ist zweckmäßiger für diesen Behuf einen besonderen Raum zur Verfügung zu haben, als den Ausstellungssaal 14 hierfür mit zu verwenden, zumal dies nur in den Stunden geschehen dürfte, in denen der Saal für das Publikum geschlossen ist.
- Ein Zimmer mit Fächern zum Aufbewahren der hiesigen akademischen Druckschriften, soweit diese nicht sofort zur Vertheilung gelangen (etwa 35 qm.).
- Ein Raum mit Fächern zum Einlegen der für den Tauschverkehr bestimmten akademischen Druckschriften der hiesigen Universität (etwa 30 qm.).
- Ein Raum für photographische Aufnahmen und eine Dunkelkammer für photographische Zwecke.
- Ein Raum für photographische Aufnahmen und eine Dunkelkammer für photographische Zwecke.
- u.
- Dienstwohnung eines Dieners und ev. eines Heizers. Es ist wünschenswert, daß diese beiden Wohnungen in einem besonderen Hause in der Nähe des Neubaues, womöglich aber auf demselben Terrain angelegt werden.
- Eine Herren- und eine Damengarderobe in der Nähe des Lesesaales.
- Ein größerer Raum für Fahrräder, vielleicht in Verbindung mit der Garderobe.
- Ein Waschraum am Lesessal und ein anderer bei den Bibliothekarzimmern.
- Pissoirs und Aborte in genügender Zahl, namentlich auch unweit des Lesesaales, ein Abort und ein Pissoir für Herren und ein Abort für Damen, sämtliche Anlagen in discreter Lage, wo sie nicht stö-ren. Es wird für dieselben ferner verlangt, daß die Installation und Ventilation sowie die Größenverhältnisse, alle so bemessen und ausgeführt werden, daß sie den weitgehendsten Anforderungen der Neuzeit entsprechen.
II. Büchermagazine.
- Für die Handschriften (einschließlich des Universitätsarchives) und die Inkunabeln sind trockene, feuerfeste und diebessichere Räume herzustellen. Dieselben sind durch elektrische Weckapparate mit der Diener- und Heizerwohnung (I. 20 u. 21) in Verbindung zu setzen.
- Für die Druckwerke (mit Ausnahme der Inkunabeln) sind sogenannte Magazine herzustellen mit feuerfesten Zwischenböden aus Cement oder Terrazzo, nicht mit eisernen Rösten. Die Höhe jedes Raumes muß so bemessen sein, daß die oberste Reihe des Regales bequem für einen mittelgroßen Benutzer ohne Leiter und ohne Tritt erreicht werden kann. Die Magazine sind in mindestens fünf Stockwerken anzulegen, von denen drei in ihrer Höhe dem hohen Erdgeschoß des Verwaltungsgebäudes, die zwei obersten dem Obergeschoß des Verwaltungsgebäudes entsprechen. Die Magazine sollen womöglich von zwei Seiten Licht haben, und die Regale müssen auf die Fensterpfeiler, nicht auf die Fenster kommen. Dabei ist zu verhindern, daß die Räume des Verwaltungsgebäudes (Lesesaal u.s.w.) verdunkelt werden. In den Magazinen sind an geeigneten Stellen mehrere hydraulische Aufzüge anzulegen.
Aus dem Bauprogramm Karl Zangemeisters vom 4. November 1897
(Universitätsarchiv Heidelberg, Signatur: K Ia, 421/3, S. 1-6)