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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek


Sprache: Griechisch. Provenienz: Venedig. Die Bedeutung Venedigs für die Bibliotheca Palatina

Die Gründung Venedigs wird auf den 25.03.421 datiert, womit diese Stadt, die jahrhundertelang als Tor zwischen Ost und West fungierte, heute ihren 1600. Geburtstag feiert.

Für die griechischen Handschriften der Bibliotheca Palatina spielte die Lagunenstadt an der nördlichen Adria eine nicht unbedeutende Rolle. Während des langen Niedergangs des Oströmischen Reiches war es aufgrund der geographischen Lage Venedigs zu einem regen, wenn auch nicht immer freundschaftlichen Austausch zwischen italienischer und griechischer Kultur gekommen. Damit einher ging das Erblühen der Renaissance. Die herausragende Position im Levantehandel ermöglichte es der „Serenissima“, neben Gewürzen, Seide und Pilgern (nicht alle davon mit friedlicher Absicht) auch wertvolle Kulturgüter zu transportieren, inklusive Handschriften. Zwar waren Städte wie Florenz und Rom als Zentren der Gelehrsamkeit weit voran, doch die Werkstatt des Aldus Manutius war Vorreiter beim Druck griechischer Bücher. Und auch griechische Handschriften weckten reges Interesse in der Lagunenstadt. Das war nicht zuletzt ein Verdienst des Kardinals Bessarion, der zahllose Bücher in die neue Heimat rettete und die bedeutende Biblioteca Marciana stiftete.

Die exakte Zahl der Handschriften, für die Venedig Entstehungsort oder Zwischenstation war auf dem Weg in private oder öffentliche Büchersammlungen, kann man nur erahnen. Für unsere Heidelberger Bibliotheca Palatina schätzen wir, dass 200-300 griechische Handschriften diesen Weg genommen haben. Dies lässt sich hauptsächlich an der Person Ulrich Fuggers festmachen, der die familiären Geschäftsbeziehungen in die Lagunenstadt ausnutzte, um seinen „Hunger“ auf griechische Schriften zu stillen.

Doch welche hat er tatsächlich aus Venedig erhalten?

BAV, Pal. gr. 364, pt. B, fol. 217vBAV, Pal. gr. 364, pt. B, fol. 217v

Als sicher gelten können zwei der vier großen Sammlungen, die er seiner Bibliothek einverleibte: zum ersten der Nachlass des 1553 verstorbenen Gelehrten Giovanni Baptista Cipelli, genannt Egnatius (abgekürzt egna.), erworben am 06.10.1553 mit 66 griechischen Handschriften (vgl. den Eintrag im Gerstmann-Katalog: BAV, Pal. lat. 1925, f. 103v-106v). Des Weiteren die Sammlung des zypernstämmigen Venezianers Hieronymus Tragodistes Cyprius, mit der Provenienz-Signatur cyp. Sie umfasste 94 griechische Manuskripte.

Daneben können wir noch einen weiteren Buchkauf in Venedig nachweisen: Der kretische Erzpriester Johannes Nathanael verkaufte am 01.03.1559 15 Handschriften an einen Agenten Fuggers (vgl. den Eintrag im Fugger-Katalog: BAV, Pal. lat. 1951, f. 104r-105r).

Für die 448 griechischen Handschriften, die 1623 zur Bibliotheca Palatina gehörten, als Leone Allacci sie in einem abenteuerlichen Unternehmen nach Rom „rettete“, sind damit 175 sicher belegbar über Venedig und Augsburg nach Heidelberg gelangt.

1600 Jahre an Geschichte haben bislang nicht ausgereicht, um alle Fragen der Provenienzforschung zu klären. Im Rahmen des von der Polonsky-Foundation geförderten Projekts zur Katalogisierung der griechischen Handschriften der Bibliotheca Palatina, das bis Ende dieses Jahres andauert, ist jedoch damit zu rechnen, dass noch das ein oder andere Rätsel über die Herkunft der Handschriften gelöst werden kann.

Vinzenz Gottlieb, UB Heidelberg

Abbildung: Die Handschrift BAV, Pal. gr. 364, die heute in zwei Bände aufgeteilt ist (pt. A und B), gehört zu den 15 Handschriften, die 1559 für Ulrich Fugger in Venedig aus dem Besitz von Johannes Nathanael erworben wurden. Auf Bl. 217v-218v befindet sich als Text ein Alphabet in politischen Jamben über Schöpfung und Verlorenes Paradies (im Bild die Buchstaben Alpha bis My).

Literatur zum Thema:

  • Wolfram Hörandner, Ein Alphabet in politischen Versen über Schöpfung und Verlorenes Paradies, in: Lirica greca da Archiloco a Elitis: studi in onore di Filippo Maria Pontani, Padua 1984 (Studi bizantini e neogreci 14), S. 273-290, hier S. 276-278 (Hs. herangezogen als Sigle V)
  • Paul Canart, Jean Nathanael et le commerce des manuscrits grecs, in: Venezia, Centro di mediazione tra oriente e occidente (secoli XV-XVI), Aspetti e problemi, a cura di Hans-Georg Beck, Manoussos Manoussacas, Agostino Pertusi, Vol. II, Florenz 1977, S. 417-438
  • Paul Lehmann, Eine Geschichte der alten Fuggerbibliotheken, I. Teil, Tübingen 1956
  • Enrico Stevenson, sen., Codices Manuscripti Palatini Graeci Bibliothecae Vaticanae, Rom 1885
Weitere Blog-Einträge zum "Geburtstag" Venedigs gibt es u.a. hier:
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