I. Warum zeichnen?
Dilettantisches Zeichnen
Im frühen 15. Jahrhundert gelangte der Zeichenunterricht erstmals seit der Antike auch wieder auf den Bildungsplan der gesellschaftlichen Elite. Die Praxis des Zeichnens eroberte dadurch abseits professioneller Betätigungsfelder zunehmend auch die ‚Räume des Privaten’. Diese Popularisierung der Zeichenkunst wurde entscheidend durch die seit dem frühen 16. Jahrhundert verfügbaren Lehrbücher befördert. Denn die frei erhältlichen Manuale ermöglichten es, das Zeichnen in den eigenen Privaträumen, fernab von institutionalisierten Strukturen wie Werkstätten und Akademien, zu erlernen. Dieser Trend ergriff in der Folgezeit auch das aufstrebende Bürgertum des 18. Jahrhunderts, wodurch die Zeichenkunst besonders in der häuslichen Welt der Frauen zum beliebten Zeitvertreib avancierte.
Dies relativ schmale Zeichenbüchlein wendet sich ausdrücklich an all jene, „die keine vorzügliche Anlage zum Zeichnen haben“, aber dennoch „geschwinde zur erträglichen Mittelmäßigkeit gelangen; wohl gar sich über diese noch hinausarbeiten“ möchten. Da nun aber für derartige Schüler die bereits vorhandenen Lehrbücher berühmter Zeichner – Preißler, Cochin und Reynolds werden genannt – „zu weitläufig und zu kostbar“ oder aber deren Lehren „für sie zu dunkel und […] unfaßlich“ sind, wird hier ein „simplerer Weg eingeschlagen“ und die zeichnerischen Anfangsgründe kommen „sehr vereinfachet und zusammengezogen“ zur Darstellung. Das Exemplar stellt somit eine kostengünstige und vereinfachte Alternative zu den herangezogenen Vorbildern dar.
I.6.1
Anfangsgründe der Freien Handzeichnung, Wiener Neustadt: Adam und
Compagnie 1787
Privatsammlung