I. Warum zeichnen?
Gewerbliches Zeichnen
Seit dem frühen Mittelalter waren Zeichner fester Bestandteil der Belegschaft in kunsthandwerklichen Unternehmen. Sie legten dort Entwürfe vor, nach denen die Kunsthandwerker ihre Objekte realisierten. Die arbeitsteilige Organisationsform der mittelalterlichen Betriebe mündete dann in der Frühen Neuzeit in manufakturähnliche Großwerkstätten, in denen die Zeichner auch ausgebildet wurden. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begann man dann zunächst in Frankreich und später europaweit, die traditionelle Einheit von Leben und Lernen aufzuheben und einen staatlich kontrollierten Zeichenunterricht in Gewerbeschulen zu organisieren. Das Zeichenbuch begleitet diese Entwicklung und gibt Auskunft über die historischen Schwerpunkte der Lehre.
Das Unternehmen Emil Oskar Richter, 1875 in Chemnitz gegründet, produzierte in hohen Auflagenzahlen maschinell gefertigte Zeichenwerkzeuge. 1892 ließ der Firmengründer sein ‚Flachreißzeug’ patentieren, wodurch eine weitere Vereinfachung innerhalb der Produktion bei gleichzeitiger Sicherstellung der Qualität der industriell hergestellten Präzisions-Reißzeuge gewährleistet werden konnte. Dies hatte auch positive Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von hochwertigen und kostengünstigen Zeichengeräten für den staatlich organisierten Zeichenunterricht. Der hier ausgestellte umfangreiche Instrumentenkasten besteht aus insgesamt 31 Teilen: verschiedene Zirkelmodelle (Stangenzirkel, Null-Zirkel usw.), Zeichenfedern und weitere zeichnerische Hilfsgeräte.
I.2.1
E.O. Richter & Co. Chemnitz
>Präcision< Reißzeug, 1920er Jahre
Universität Tübingen, Fachbereich Mathematik