II. „Hinaus in die Zukunft leben“ – von Preußen nach Heidelberg
Abgesehen vom körperlichen Aspekt lehnte Gothein an der weiblichen Rolle vor allem die Beschränkung auf bestimmte Tätigkeiten ab. In ihrem Brief aus der Verlobungszeit setzte sie Eberhard Gothein dies auseinander:
„Du schreibst in Deinem letzten Briefe wir Frauen wären in Allem besser als ihr Männer nur nicht – in der Arbeit, das klingt so stolz bescheiden und ist es doch eigentlich nur das erstere, was verstehst du denn unter diesem ‚Allen‘. Höchstens doch im Ertragen und Leiden, ich weiß schon, das laßt ihr Männer uns gerne, ich schrieb Dir aber schon einmal, daß mir dieser Ruhm unsers Geschlechtes nicht zu kommt, was bleibt denn übrig? garnichts, das weiß ich sehr wohl; darum wäre ich ja so viel lieber ein Mann, ich wollte schon gerne die andren ‚in Allem‘ überlegen, besser sein lassen nur nicht in der Arbeit.“ [Seite c, Zeile 1ff.]
Die Briefstelle bietet einen Schlüssel für ihre Rollenidentität: Indem sie weibliche Tätigkeitsfelder ablehnte, konnte sie sich nur auf männlich besetzten Arbeitsfeldern behaupten.
II.4c
Marie Luise Schröter: Brief an Eberhard Gothein, „Breslau d. 19. 9. 83.“
UB Heidelberg, Heid. Hs. 3487,15