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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Universitätsbibliothek

III. Schöner Schein: Barock – gefälscht

Eric Hebborn als Fälscher von Renaissance und Barock

Eric Hebborn: Künstler und Kenner, Zeichnungsfälschung nach Pieter Brueghel d. Ä., Tusche auf Papier, Wien, Fälschermuseum (Kat.-Nr. III.1)

Anders als bei anderen Fälschern wie zum Beispiel Giovanni Bastianini oder Han van Meegeren der Fall, wird Eric Hebborn weniger mit einzelnen spektakulären Fälschungen assoziiert, sondern vielmehr mit zwei von ihm verfassten Büchern: In ihnen schildert er seinen Werdegang zum Fälscher und gibt Einblicke in die Konzeption, Herstellung und den erfolgreichen Vertrieb von gefälschten Zeichnungen und Gemälden. Hebborn war auf die Produktion von gefälschten Zeichnungen insbesondere der Frühen Neuzeit spezialisiert. Schenkt man seiner Autobiografie Glauben (was man jedoch, wie von ihm selbst angedeutet, nur bedingt tun sollte ), dann waren es Experten und Restauratoren, die ihn zum Fälschen brachten: Der britische Kunsthistoriker Anthony Bunt soll Hebborn gesagt haben, dass seine Zeichnungen stilistische Ähnlichkeiten zu denen des französischen Barockmalers Nicolas Poussin aufwiesen und Hebborn lernte angeblich später bei dem Restaurator George Aczel, Gemälde nicht „nur“ zu restaurieren, sondern auch so zu „verbessern“, dass diese für einen höheren Preis verkauft werden konnten. Obwohl Hebborns Karriere aufgrund seines künstlerischen Talents zunächst vielversprechend verlief – er studierte unter anderem an der renommierten Royal Academy in London und gewann mehrere Preise und Auszeichnungen –, soll er sich ab 1961 dem Fälschen zugewendet haben, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Seine bis dahin geknüpften Kontakte zu Experten und Kunsthändlern waren ihm dabei natürlich äußerst nützlich, denn sie ermöglichten es ihm, angeblich Tausende von gefälschten Gemälden, Zeichnungen und auch Skulpturen im Stil von Künstlern des 14. bis 20. Jahrhunderts erfolgreich als Originale an namhafte Sammlungen und Museen zu veräußern. Der Verkauf wurde sicherlich auch dadurch zusätzlich erleichtert, dass Hebborn 1963 gemeinsam mit seinem damaligen Lebensgefährten David Graham Smith eine eigene Kunsthandlung, die „Pannini Galleries“, gründete, die zuerst in London und dann in Rom ansässig war. Über sie unterhielten die beiden Kontakte zu den angesehensten Galerien, Auktionshäusern und Experten wie zum Beispiel Christopher White, welche ihnen regelmäßig Werke abkauften. Nachdem Spezialisten wie Konrad Oberhuber einzelne Fälschungen Hebborns entlarvt hatten, wurde zunehmend deutlich, dass diese alle von der Galerie Colnaghi (Whites Arbeitgeber) angeboten worden waren und dorthin wiederum über Hebborns „Pannini Galleries“ gelangt waren. 1978 veröffentlichte die britische Journalistin Geraldine Norman, die zuvor den Fälscher Tom Keating entlarvt und mit einer Biografie bedacht hatte in der Times einen Artikel, in dem sie die Fälschungen mit Hebborns Namen in Verbindung brachte, obgleich dieser sich noch nicht zu den Fälschungen bekannte. Dies änderte sich erst in den 90er Jahren: 1990 beschwerte sich der Fälscher zunächst in einem Brief an den Kurator der Ausstellung Fake? The Art of Deception, dass seine Fälschungen dort nicht vertreten seien, im Folgejahr legte er seine Autobiografie vor, in der er nun alles gestand. Sekundiert wurde das Erscheinen des Buches von einem 1991 ausgestrahlten Dokumentarfilm der BBC, Eric Hebborn: Portrait of a Master Forger, in dem Hebborn selbst ausgiebig zu Wort kommt. Als Motiv für seine Fälschungen gab Hebborn, neben seinem Scheitern als eigenständiger Künstler, Verachtung für die Experten an, die, aus seiner Sicht, nicht an der Kunst, sondern an ihrer Karriere und ihrem Profit interessiert seien und sich daher ebenso unwissend wie anmaßend verhielten, weshalb er sie habe herausfordern und bloßstellen wollen

Der Vermeer-Fälscher Han van Meegeren

Han Van Meegeren: Christuskopf, vorbereitende Studie für eine Vermeer-Fälschung, Bleistift auf Papier, Wien, Fälschermuseum (Kat.-Nr. III.3)
Sepp Schüller: Falsch oder echt? Der Fall van Meegeren, Bonn 1953 (Kat.-Nr. III.8)

Der niederländische Maler, Restaurator, Kunsthändler und Fälscher Han van Meegeren erscheint heute vielleicht als der Inbegriff all dessen, was am Thema Kunstfälschung populär sein kann, denn in seinem Leben mischen sich auf geradezu romanhafte Art und Weise künstlerischer Anspruch und mondäne Halbwelt, Ästhetik und Kriminalität, Verstrickungen in den Nationalsozialismus und Gerichtsdrama: Ein gescheiterter Künstler, der sich in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts der Avantgarde verweigert, da er dem Handwerk der Alten Meister nachtrauert, und beschließt, sich an der ihn missachtenden Kunstwelt zu rächen, indem er sie mit einer Vermeer-Fälschung hereinlegt; die Verführung durch das mit der Fälschung erzielte Geld, das es ihm ermöglicht, den bislang von ihm nur unter Schulden gepflegten mondänen Lebensstil zu finanzieren, damit verbunden der Verzicht auf die Rache an den Kunstexperten, für die es notwendig gewesen wäre, die Fälschung öffentlich zu machen; die stetige Anfertigung neuer, handwerklich zunehmend schwächer gearbeiteter und stilistisch immer weniger an Vermeer orientierter Fälschungen; der Verkauf einer dieser Vermeer-Fälschungen an den kunstsammelnden Nationalsozialisten Hermann Göring; die deswegen erfolgende Anklage van Meegerens wegen Vaterlandsverrat und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg, da die Spur des verkauften Bildes zu ihm führt; van Meegerens verzweifeltes Geständnis, dass es sich bei dem Gemälde nicht um einen echten Vermeer, sondern um eine seiner Fälschungen gehandelt und dass er Göring damit betrogen habe; der Unglauben und die Skepsis, auf die er damit zunächst stößt, da niemand ihm glaubt und jeder meint, er bringe dies nur vor, um sich vor der Verurteilung zu retten; die von ihm zu erbringende Demonstration, unter der Aufsicht von Zeugen eine weitere Vermeer-Imitation zu malen, um so zu beweisen, dass er tatsächlich der Urheber des fraglichen Gemäldes wie anderer, von ihm eingestandener Vermeer-Fälschungen ist; der im Oktober 1947 eröffnete, aufsehenerregende Prozess (nun geführt aufgrund der Anklage wegen Fälschung und Irreführung) mit der Präsenz der von ihm über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren gemalten Fälschungen im Gerichtssaal als sozusagen „stumme Zeugen“ der Anklage; und schließlich, nach dem im November 1947 gefällten, milden Urteil, van Meegerens baldiger Tod, der verhindert, dass er von der ihm nun entgegengebrachten Popularität noch profitieren kann, die zum einen darauf beruht, dass van Meegeren einen Nazi wie Göring hereingelegt hatte, zum anderen aber auch daher rührt, dass man in ihm ein verkanntes Maler-Genie sah, dem es gelungen war, sogar größte Experten zu täuschen. All dies hat dazu beigetragen, dass keinem anderen Fälscher so viele Bücher, Ausstellungen und auch Romane, Theaterstücke und Filme gewidmet wurden wie Han van Meegeren.

Galileo Galilei – gefälscht

Marino Massimo De Caro: Buchfälschung nach Galileo Galilei, Sidereus Nuncius, [Venedig 1610], 2003/2004, S. 9 verso / 10 recto Richard Lan, New York (Kat.-Nr. III.20)

Im Juni 2005 wurde dem renommierten New Yorker Antiquar Richard Lan, Spezialist für historische Bücher des Astronomen Galileo Galilei, von italienischen Besuchern eine besondere Ausgabe von Galileis 1610 erschienenem Sidereus Nuncius(„Der Sternenbote“) angeboten. In dieser Schrift hatte Galilei die von ihm mithilfe eines selbst gebauten Teleskops beobachteten Mondphasen beschrieben und auch anhand von fünf Darstellungen illustriert. Die Ausgabe, die dem New Yorker Antiquar nun angeboten wurde, wich von den sonst bekannten Exemplaren insofern ab, als das Buch anstatt von fünf Radierungen auf den entsprechenden vier Seiten Tuschezeichnungen aufwies, die als Vorlagen für die Radierungen gedient zu haben schienen. Da es auch Druckfahnen-Versionen des Sidereus Nunciusgibt, in denen diese Stellen für die Abbildungen noch leer belassen sind, war der Schluss naheliegend, dass es sich bei dem Band um ein solches Druckfahnen-Exemplar handeln könnte, in das Galilei jedoch die Zeichnungen mit eigener Hand eingetragen hatte. Diese „Entdeckung“ schien die von dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp seit 1996 vertretene Sicht zu bestätigen, dass Galilei auch als Künstler zu betrachten sei, der künstlerische Aktivität als essentiellen Bestandteil des Erkenntnisgewinns gesehen habe. Nachdem das Buch im Februar 2006 in Berlin von elf Spezialisten auch materialtechnisch untersucht worden war und alle Tests bestanden hatte, veröffentlichte Bredekamp den Fund im Rahmen seiner 2007 erschienenen Studie Galilei der Künstler. Der Mond. Die Sonne. Die Hand. Im Folgejahr schloss sich eine weitere naturwissenschaftliche Untersuchung an, dieses Mal unter der Beteiligung von vierzehn Spezialisten, die ebenfalls positiv ausfiel, woraufhin Bredekamp nicht nur 2009 eine zweite Auflage seines Buches vorlegte, sondern die Ergebnisse der Untersuchungen auch 2011 in den ersten beiden Bänden der englischsprachigen Reihe Galileo’s O (erschienen zwischen 2011 und 2015) veröffentlichte. Allerdings meldeten sich nun auch erste kritische Stimmen, die auf Unregelmäßigkeiten hinwiesen: Ein den Sidereus Nunciusals zum einstigen Bestand der Bibliothek des Galilei-Freundes Federico Cesi ausweisender Stempel weicht in einem Detail von dem sonst bekannten Erscheinungsbild ebenso ab wie die Maße der ersten Mond-Darstellung: In den gedruckten Versionen ist deren Durchmesser vier Millimeter kleiner als der Durchmesser der übrigen Mondbilder, während das entsprechende Zeichnungspendant in der von Lan gekauften Ausgabe gegenüber den anderen Illustrationen keine Abweichungen aufweist. Wenn die Zeichnungen aber als Vorlagen für die Radierungen gedient hätten, müssten sie auch hinsichtlich der Maße mit diesen übereinstimmen. Ein entscheidender Hinweis kam schließlich von dem britischen Wissenschaftshistoriker Nick Wilding, der entdeckte, dass Lans Sidereus NunciusEigenwilligkeiten im Druckbild aufweist, die identisch mit denen eines Faksimiles sind, das 1964 von der „Domus Galilaeana“, einem in Pisa ansässigen wissenschaftsgeschichtlichen Kultur- und Forschungsinstitut, anlässlich des 400. Geburtstags Galileis veröffentlicht worden war. Mehr und mehr erhärtete sich der Verdacht, dass es sich bei dem Sidereus Nuncius Lans um eine extrem aufwändige Fälschung handelt: Der Fälscher hatte offenbar auf der Grundlage eines Digital-Scans des Faksimiles Druckplatten hergestellt, mit denen er das gesamte Buch auf geeignetem Papier neu gedruckt, die Stellen mit den Mondbildern frei gelassen und hier von einem entsprechend begabten Zeichner die Tuschezeichnungen hatte einfügen lassen. Um die Fälschung zusätzlich an Glaubwürdigkeit gewinnen zu lassen, wurde sie anschließend mit drei weiteren echten historischen Publikationen Galileis von 1655 in einem ebenfalls authentischen Bucheinband zu einem Band zusammengefügt. Diese Rekonstruktion der Abläufe wurde bei einer erneuten Untersuchung des Expertenstabs um Bredekamp im Oktober 2013 bestätigt und im dritten Band von Galileo’s O 2014 veröffentlicht. In derselben Reihe legte Bredekamp zudem 2015 sein acht Jahre zuvor erstmals erschienenes Buch in einer dritten, um die Fälschung bereinigten und nun Galileis denkende Hand: Form und Forschung um 1600 betitelten Auflage vor. Als „Mastermind“ hinter der Fälschung konnte Marino Massimo De Caro ermittelt werden, ein italienischer Antiquar, Bibliothekar und Privatgelehrter, der, nachdem er im Juni 2011 zum Direktor der staatlichen „Biblioteca dei Girolamini“, der ältesten Bibliothek Neapels, berufen worden war, damit begonnen hatte, systematisch deren bedeutende Sammlung historischer Bücher zu plündern und Tausende davon illegal zu verkaufen. De Caro hat sowohl die Diebstähle als auch die Fälschung inzwischen gestanden und wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, die er mittlerweile als Hausarrest abbüßt. Als Motiv für die Fälschung gab De Caro zum einen Rache an Galilei-Experten an, die seine eigenen Forschungen stets missachteten, zum anderen aber auch seine Bewunderung für Bredekamps Forschungen.

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