HandSchrift – Bewährt mit Pinsel und Feder
Motivwanderung und künstlerischer Austausch
Die vier didaktischen Minnereden „Minne Gericht“, „Der Minne Freud und Leid“, „Der Traum im Garten“ und „Minne und Pfennig“ bilden nach der Datierung auf Blatt 33v von 1459 den ältesten und zugleich einzigen vollständigen Überlieferungsträger dieses Textensembles. Er ist zudem das einzige illustrierte Exemplar.
Die Texte sind von insgesamt 41 Federzeichnungen begleitet, die im Vergleich mit anderen Textillustrationen im zeitlichen und räumlichen Umfeld sowohl unter bildkompositorischen als auch maltechnischen Aspekten ungewöhnlich erscheinen. Die westschwäbische Schreibsprache der Handschrift deutet auf eine Entstehung im mittleren Neckarraum. Ob die Handschrift zur Büchersammlung der Margarete von Savoyen gehörte, ist nicht sicher zu sagen.
Der Zeichner konnte bislang in keiner weiteren Handschrift im Umfeld des Württemberger Hofes nachgewiesen werden. Alleine bildkompositorische oder motivische Ähnlichkeiten lassen auf einen gemeinsamen Ursprung schließen und deuten auf einen Austausch von Vorlagen sowie auf die Mobilität von einzelnen Künstlerpersönlichkeiten hin. Deutlich wird dies etwa bei der Illustration auf Blatt 13r, in der der „elende Knabe“ den Ausritt von Frau Liebe zur Beizjagd beobachtet. Im Vordergrund quert Frau Liebe in Begleitung einer weiteren Dame zu Pferde den Weg des Knaben. Das Motiv des prächtig gezäumten Pferdes in Schrittstellung mit den in Rückansicht gebotenen Reiterinnen im Damensitz erinnert an die zur Rebhuhnjagd ausreitende Dame in jener „Tacuinum Sanitatis“-Handschrift, die nach einer aus Italien stammenden Vorlage womöglich am Uracher Hof im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts geschaffen wurde.
I.24
Der elende Knabe: Der Minne Gericht, Der Minne Freud und Leid, Der Traum im Garten, Minne und Pfennig, mittlerer Neckarraum (?), 1459
Papier, 65 Bll., 30,7 x 20,5 cm, 41 ungerahmte, kolorierte Federzeichnungen
UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 344, Bl. 13r