II. Tradition und Erneuerung
„Mainauer Naturlehre“
Bodenseeraum (?), 1536‒1538. Papier, 168 Bl., kolorierte Federzeichnungen
UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 279
Die „Mainauer Naturlehre“ ist vermutlich um 1300 im nördlichen Bodenseegebiet entstanden. Der Text ist eines der frühesten Beispiele für die Rezeption der „Secretum secretorum“, die auf Aristoteles zurückgehen soll. Am Beginn steht eine Komplexionen-lehre, die mithilfe der Säftelehre Aussagen über die Körperverfassung eines Menschen erlaubt. Je nachdem, welche der Qualitäten (warm, kalt, feucht, trocken) überwiegt, neigt der Mensch in seinen Charakterzügen einem der Extreme zu. Das Ideal kann nur erreicht werden, wenn man den naturgegebenen Zustand eines Menschen, bei dem meist eine der Qualitäten überwiegt, erkannt hat. Durch entsprechende Anwendungen und Behandlungen kann dann versucht werden, ein ausgeglichenes Verhältnis der Qualitäten zu erzielen. Nach der Komplexionenlehre folgt mit einer Einführung in die Zeitrechnung der eigentliche Inhalt des Textes. Behandelt werden u.a. Tag und Nacht, die Wochentage, der Aufbau des Kosmos als geozentrisches Weltbild, die Planeten als Tagesregenten aber auch das Zustandekommen von Mond- und Sonnenfinsternissen, die in den Abbildungen des Codex korrekt dargestellt werden.