Liebeslieder aus dem Codex Manesse
Der von Kürenberg
Der Kürenberger ist der erste bekannte Minnesänger, der seine Lieder in deutscher Sprache dichtete. Über seine Person ist nichts weiter überliefert. Der Codex Manesse stellt ihn als vornehmen, jungen Adligen mit einem fiktiven Wappen dar.
Das „Falkenlied” des Kürenbergers zählt zu den berühmtesten Texten des deutschen Minnesangs. Die Klage über den entflogenen Falken spielt auf den Schmerz über die Trennung zweier Liebender an. Unklar bleibt, ob ein Mann oder eine Frau spricht.
Ich zôch mir einen valken (Bl. 63v)
Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.
dô ich in gezamete, als ich in wolte hân,
und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
er huop sich ûf vil hôhe und vlouc in anderiu lant.
Sît sach ich den valken schône vliegen,
er vuorte an sînem vuoze sîdîne riemen,
und was im sîn gevidere alrôt guldîn.
got sende sî zesamene, die gelieb wellen gerne sîn!
Ich zog mir einen Falken auf, länger als ein Jahr.
Als ich ihn gezähmt hatte, wie ich ihn haben wollte,
und ihm sein Gefieder schön mit Gold umwunden hatte,
hob er sich hoch hinauf und flog in andere Länder.
Später sah ich den Falken herrlich fliegen.
An seinem Fuß führte er seidene Bänder,
und sein Gefieder war ganz rotgolden.
Gott führe die zusammen, die einander gerne lieben wollen!