Liebeslieder aus dem Codex Manesse
Hartmann von Aue
Hartmann, nach eigenen Aussagen ein „Dienstmann von Aue”, wirkte als Dichter zwischen 1180 und 1205. Der gebildete Sänger stammte vermutlich aus dem deutschen Südwesten, auch wenn seine Person in Urkunden und historischen Quellen nicht bezeugt ist.
Hartmann von Aue ist vor allem für seine Artusromane und seine Erzählungen bekannt. Seine Dichterkollegen rühmen ihn als Vorbild. In diesem Lied schildert er den Kreuzzug ins Heilige Land als Bewährung im Minnedienst.
Ich var mit iuweren hulden (Bl. 187r)
Ich var mit iuweren hulden, herren unde mâge.
liut unde lant die müezen saelic sîn!
ez ist unnôt, daz ieman mîner verte vrâge,
ich sage wol vür wâr die reise mîn.
Mich vienc diu minne und lie mich varn ûf mîne sicherheit.
nu hât si mir enboten bî ir liebe, daz ich var.
ez ist unwendic, ich muoz endelîchen dar.
wie kûme ich braeche mîne triuwe und mînen eit!
ich rüemet maniger, waz er dur die minne taete.
wâ sint diu werc? die rede hoere ich wol.
doch saehe ich gern, daz sî ir eteslîchen baete,
daz er ir diente, als ich ir dienen sol.
Ez ist geminnet, der sich durch die minne ellenden muoz.
nu seht, wie sî mich ûz mîner zungen ziuhet über mer.
und lebte mîn her Salatîn und al sîn her
dien braehten mich von Vranken niemer einen vuoz.
Ir minnesinger, iu muoz ofte misselingen,
daz iu den schaden tuot, daz ist der wân.
ich wil mich rüemen, ich mac wol von minnen singen,
sît mich diu minne hât und ich si hân.
Daz ich dâ wil, seht, daz wil alse gerne haben mich.
sô müest aber ir verliesen underwîlent wânes vil:
ir ringent umbe liep, daz iuwer niht enwil.
wan müget ir armen minnen solhe minne als ich?
Ich ziehe mit Eurer Erlaubnis, ihr Herren und Verwandte.
Leute und Land, die seien gesegnet!
Es tut nicht not, dass jemand nach meinen Wegen fragt,
ich sage gerne die Wahrheit über meine Reise.
Mich nahm die Minne gefangen und ließ mich auf mein Treueversprechen hin ziehen.
Jetzt hat sie mir bei ihrer Liebe befohlen, dass ich ziehe.
Es ist unabwendbar, ich muss unverzüglich dorthin.
Wie ungern bräche ich meine Treue und meinen Eid!
Viele rühmen sich, was sie um der Liebe willen täten.
Wo sind die Taten? Die Worte höre ich gut.
Doch sähe ich gern, wenn sie den ein oder anderen von ihnen bäte,
ihr so zu dienen, wie ich ihr dienen werde.
Geliebt ist, wer sich um der Liebe willen in die Fremde begeben muss.
Nun seht, wie sie mich aus dem Land meiner Muttersprache übers Meer zieht.
Herr Saladin und sein gesamtes Heer dagegen, wenn die noch lebten,
die brächten mich aus Franken keinen Fußbreit fort.
Ihr Minnesänger, ihr müsst oft Misserfolg haben,
was euch schadet, das ist die ungewisse Hoffnung.
Ich will mich rühmen, gut von der Liebe singen zu können,
seit mich die Liebe festhält und ich sie.
Was ich will, seht, das will ebenso gerne mich.
Ihr hingegen müsst mitunter viele Hoffnungen fahrenlassen.
Ihr kämpft um ein Glück, das euch nicht will.
Warum könnt ihr Armen nicht solche Liebe lieben wie ich?