Rückblick: Vitrinenausstellung: Richard Benz (1884-1966)
Foto: Richard Benz 1966
(Universitätsarchiv Heidelberg)
Richard Benz (*1884, Reichenbach/Vogtland - †1966, Heidelberg) verkörpert den bürgerlich-konservativen freischaffenden Gelehrten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Er beschäftigte sich mit mittelalterlichen Legenden, der Epoche des Barock, der Klassik und vor allem der Romantik. Sein Schaffen ist geprägt von kulturkonservativem Denken, missionarisch-volksbildnerischem Anspruch und einer romantischen Geisteshaltung.
Nach seinem Studium der Philosophie und Literaturgeschichte und der Promotion zu »Märchen-Dichtung der Romantiker« beschäftigte er sich als Privatgelehrter, inspiriert von den Heidelberger Romantikern, mit spätmittelalterlicher deutscher Prosadichtung. Benz' Übertragung der »Legenda Aurea« des Jacobus de Voragine gilt heute noch als Standardwerk. Sein Hauptwerk der 1920er Jahre »Die Stunde der deutschen Musik« widmet sich der Geistesgeschichte deutscher Musik. 1933 distanzierte sich Benz in »Geist und Reich. Um die Bestimmung des Deutschen« von der nationalsozialistischen Rasselehre.
Auch wenn das Werk 1935 von den Reichsschrifttumsbehörden aus dem Verkehr gezogen wurde, konnte er sich mit seiner Universalgeschichte der Romantik – 1937 unter dem Titel »Die deutsche Romantik. Geschichte einer geistigen Bewegung« erschienen – als Kulturhistoriker etablieren. Als Repräsentant deutscher Kultur wurde er vom RMVP 1940/41 mit Vortragsreisen ins Ausland beauftragt. Dies machten ihn nach Kriegsende bei den westlichen Alliierten verdächtig: 1947 durfte er offiziell weder publizieren noch ein öffentliches Amt annehmen. Benz hingegen sah sich – wie er in »Zum geistigen Frieden« (1947) erläutert – als »Geistiger in den Katakomben«. Die Einstufung der Besatzungsbehörden sollte Benz' Ansehen in den folgenden Jahren keinen Abbruch tun. Er knüpfte erfolgreich an seine Forschungen zur Romantik an und ergänzte kulturgeschichtliche Darstellungen zur Epoche des Barock und der deutschen Klassik.
Als »Grandseigneur des Geistes« wurde Benz – nicht zuletzt für seine Stadtgeschichte »Heidelberg. Schicksal und Geist« (1961) – bis zu seinem Tod 1966 öffentlich geehrt und hochgeschätzt: 1954 ernannte ihn die Stadt Heidelberg zum Ehrenbürger. Im gleichen Jahr wurde er in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1959 berief ihn die Universität zum Honorarprofessor für deutsche Kulturgeschichte.
Foto: Die »Legenda Aurea« des Jacobus de Voragine.
Übertragen von Richard Benz, Jena: Verlag Eugen
Diederichs, 1917/1922 (Druckanordnung, Initialen,
Titel und Einband von Richard Benz).
In Heidelberg – Benz' lebenslanger intellektueller Bezugspunkt und Wirkungsort – rief er zahlreiche kulturelle Initiativen ins Leben, darunter den »Hebbel-Verein«, eine literarische Vereinigung, die von 1902 bis 1908 aktiv war, oder »Die Gemeinschaft Die Pforte«, die im Palais Weimar in den 1920er Jahren unter Beteiligung des Holzschnittkünstlers Gustav Wolf eine eigene Druckwerkstatt unterhielt. Als musikalischer Berater engagierte er sich 1926 bis 1928 für die Heidelberger Schlossfestspiele. In der frühen Bundesrepublik beriet er den Heidelberger Oberbürgermeister Carl Neinhaus in kulturellen Angelegenheiten.
Nach seinem Tod 1966 geriet Benz schnell in Vergessenheit. Seit 1976 vergibt die Stadt als Hommage an den Ehrenbürger die Richard-Benz-Medaille für Verdienste um Kultur und Wissenschaft.
Die Vitrinenausstellung, die im Zugangsbereich zur Ausleihe der Universitätsbibliothek (Plöck 107-109) bis Ende März 2011 gezeigt wird, beschäftigt sich mit Leben und Werk des Heidelberger Gelehrten. Erarbeitet wurde sie von Dr. Julia Scialpi, die 2010 eine umfassende Biographie zu Richard Benz veröffentlicht hat. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten der Bibliothek besichtigt werden.
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Dr. Julia Scialpi
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