Von den „Schmähungen“ des Talmud
Das „Büchlein von den Juden“: eine polemische Überarbeitung
Der aus dem Schwäbischen stammende Michael (Michel) Beheim (1420–1474) gilt als einer der letzten fahrenden Sänger des ausgehenden Mittelalters. Er war bei vielen Fürsten und auch dem Kaiser als Hofsänger tätig. Für acht der insgesamt 452 Lieder, die er inklusive der Melodien (Weisen) verfasst hat, hat er einen lateinischen Text bearbeitet: Der Traktat geht auf einen Teil eines Sammelwerks zurück, das dem „Passauer Anonymus“ (Anonymus Pataviensis) zugeschrieben wird. Grundlage für Beheims Lieder war sehr wahrscheinlich die deutsche Prosaübertragung des sogenannten Österreichischen Bibelübersetzers.
Im Traktat „Von der juden irrsal“ sind die Juden von Beginn an die Feinde der Christen. Hauptsächlich der Talmud erscheint als Quelle antichristlicher Blasphemien und Schmähungen. Indem Beheim behauptet, er habe selbst in einem kurzen Auszug aus dem Talmud gelesen (Hie dises puches mit dem nam talmut ich michel peham hinder ein clainen ausczug kam, Bl. 210vb), suggeriert er dem Leser beziehungsweise Zuhörer, er verfüge über eine unmittelbare Textkenntnis. So erreicht er u.a. eine höhere Authentizität seiner Aussagen. Seine Angriffe gipfeln im achten Lied des Zyklus, in dem er kaiser kunig fursten [und] hern vorwirft, die Juden um ihrer Geldgaben willen in ihren Ländern zu dulden und ihnen sogar mehr Freiheiten zu gewähren als den Christen. Vor engerem Kontakt wie beispielsweise beim Baden oder beim Essen und Trinken wird ausdrücklich gewarnt, Diskussionen über Glaubensfragen soll man vermeiden. Will sich ein Jude taufen lassen, so wird das begrüßt, versucht aber ein Jude, einen Christen zum Judentum zu bekehren und ihn zu beschneiden, den sol man toten (Bl. 218vb).
Transkription der Textstelle (PDF)
Michael Beheim: Lieder
Wien, 1457–1458
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 334, Bl. 218ra