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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Kleinodien und ein Brief des indischen Priesters Johannes

Kleinodien und ein Brief des indischen Priesters Johannes

Priester Johannes, der legendär gewordene Herrscher über ein in „Indien“ gelegenes christliches Reich, sandte im 12. Jahrhundert einen Brief an den Römischen König und den Papst in Rom, mit dem er sich selbst und seinen Staat in den prächtigsten Farben vorstellte. Dieser Brief wurde vervielfältigt, übersetzt und kursierte in zahlreichen Redaktionen; sogar in Frühdrucken wurde er verbreitet. Tatsächlich handelte es sich aber um eine „Fälschung“, oder eher noch um ein literarisches Stilmittel, mit dem die Vorstellung einer idealen Herrschaft über eine ideale christliche Gesellschaft formuliert wurde.

Noch bevor der Brief um das Jahr 1180 verfasst wurde, kamen in Europa Nachrichten über das Reich des Priesters Johannes (Presbyter Johannes) auf. Von ihm berichtet um 1145 schon Otto von Freising in seiner Weltchronik, der „Chronica sive Historia de duabus civitatibus“, der darin zudem auf dessen Unterstützung bei der Befreiung Jerusalems setzt. In dem jüngeren „Brief des Priesters Johannes“ wird diesem Herrscher selbst das Vorhaben in den Mund gelegt, das Heilige Grab befreien zu wollen. In der Heidelberger Handschrift Cod. Pal. germ. 844, die verschiedene Faszikel enthält, ist in der Abschrift aus dem 15. Jahrhundert die zweite Hälfte einer deutschsprachigen, gereimten Übersetzung des Presbyterbriefes enthalten. Der Autor, der sich selbst Oswald Schreiber nennt, schuf sie 1380/1381 im damals ungarischen Königsberg im Grantal. Sein Text gilt als selbständiges Werk, da er zahlreiche Veränderungen gegenüber der lateinischsprachigen Vorlage vornimmt. So gestaltet er um den eigentlichen Brieftext eine Rahmenhandlung, die von den Adressaten und der Vermittlung des Briefes berichtet.

Demnach war eine europäische Gesandtschaft in das indische Reich gekommen, woraufhin der Herrscher Johannes einen Brief verfasste. Sodann begleitet der Schreiber des Briefes die Gesandtschaft zurück nach Europa und sorgt dafür, dass der Brief nebst Geschenken erst in Rom gezeigt und dann zum deutschen Kaiser Friedrich I. gebracht wird. In Aachen, wo der deutsche Kaiser Reichstag hält, wird der Brief vor Bischöfen, Fürsten und dem König Philipp von Frankreich verlesen. Auch die Geschenke mit ihren besonderen Eigenschaften werden vorgeführt: darunter ein goldener Ring mit Edelsteinen, Wunderwasser und ein Gewand aus der Haut des Salamanders, das nicht zu entflammen ist. Als dem Schreiber und Überbringer des Briefes im Gegenzug die Reichskleinodien und Reliquien gezeigt werden, bewertet er diese gegenüber den Wundern des indischen Reiches als höherwertig. Daraufhin „bricht sich der König von Frankreich einen Zacken aus der Krone und Kaiser Friedrich schnitzt einen Span aus der Heilig-Kreuz-Reliquie“. Dem Schreiber werden nun diese Kleinodien mit einem Antwortbrief für den Priesterkönig Johannes anvertraut.

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