Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands – digital
„Die Lustigen Blätter sind im Gebiet der modernen Karikatur für Berlin ein halbwegs fortschrittliches Blatt,“ schreibt Georg Hermann 1901 in seinem Buch Die deutsche Karikatur im 19. Jahrhundert und hebt besonders die politischen Zeichnungen Franz Albert Jüttners hervor.
Gegründet wurde die Satirezeitschrift vom Schriftsteller Alexander Moszkowski (1851-1934), der von 1877-1886 für die Berliner Wespe tätig war. Nach einem Streit mit dem dortigen Herausgeber, Julius Stettenheim, gründete er 1886 mit Otto Eysler – zunächst in Hamburg - die Lustigen Blätter. Der Wiener Eysler wollte zunächst ein Witzblatt im Caféhausstil nach Wiener Vorbild und unter Mitwirkung zahlreicher österreichischer Zeichner schaffen. Nach dem Umzug nach Berlin, der nur drei Monate nach der Gründung der Zeitschrift erfolgte, übernahm Moszowski zunächst gemeinsam mit Paul von Schönthan als „Hauptschriftleiter“ bzw. Chefredakteur das Ruder. Bis ins hohe Alter leitete Moszowski die Zeitschrift, bis er 1928 im Alter von 77 Jahren in den Ruhestand ging. Er bewirkte ab den 1890er Jahren eine inhaltliche wie stilistische Neuorientierung. Hervorzuheben sind die kolorierten, ganzseitigen Karikaturen auf der jeweils ersten und letzten Seite, die zuerst im Iris- dann im vierfarbigen Buntdruckverfahren ausgeführt wurden und v.a. auf den Titelseiten eine gute Werbewirkung entfalteten. Sie erinnern an französische Satirezeitschriften wie Le Rire und an den Plakatstil Henri de Toulouse-Lautrecs, mit dem der Zeichner Edmund Edel auch persönlich bekannt war. Die Lustigen Blätter erschienen wöchentlich und behandelten zeit- und kulturgeschichtliche sowie gesellschaftliche Themen. Zudem enthielten sie Witze, Gedichte und Bildergeschichten. Es wurden thematische Ausgaben zu Themen wie Karneval, Sport und Kino wie auch Sondernummern zum Burenkrieg, der Reichtagswahl, zur Lage in China und anderen zeitpolitischen oder kulturellen Ereignissen herausgegeben. Moszowski, der bis 1927 als Chefredakteur tätig war, schuf Figuren wie den „Lattenfritze“ und engagierte u.a. den Zeichner Heinrich Zille, der auch für Ulk, Jugend und den Simplicissimus tätig war. Weitere bedeutende Künstler, die teilweise über viele Jahre hinweg Karikaturen beisteuerten, sind u.a. Lyonel Feininger, Wilhelm Anton Wellner, Feodor Czabran, Ernst Heilemann, Walter Trier und Julius Klinger. Zu den bekanntesten Autoren zählte der Dichter und Schlagertexter Bruno Balz; andere verdiente Redaktionsmitglieder und Texter waren Maximilan Krämer, Leo Wulff, Betty Korytowska, Max Brinkmann, Rudolf Presber (alias Mirza Spiral), Gustav Hochstetter, Paul Kraemer und Georg Mühlen-Schulte.
Von 1887 bis 1891 erschienen die Lustigen Blätter als Gratisbeilage des Börsen-Couriers in einer Auflage von 20.000 Exemplaren, dann als eigenständige Zeitschrift. Vor allem während der Weimarer Republik hatte das zwölf bis sechzehn Seiten starke Blatt mit bis zu 60.000 Exemplaren eine große Leserschaft und veranstaltete alljährlich im Winter den beliebten Berliner Lustige-Blätter-Ball. Vertraten die Lustigen Blätter anfangs noch eine fortschrittlich-liberale Gesinnung, näherten sie sich im Laufe der Jahre einer nationalliberalen Ausrichtung an. Im Jahr 1944 wurden die Lustigen Blätter eingestellt.
Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands
Weiterführende Literatur
- Gülker, Bernd A.: Die verzerrte Moderne. Die Karikatur als populäre Kunstkritik in deutschen satirischen Zeitschriften, Münster 2001 (Kunstgeschichte, 70)
- Hermann, Georg: Die deutsche Karikatur, Bielefeld / Leipzig 1901
- Koch, Ursula E.: Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848-1890, Köln 1991
- Krollpfeiffer, Gerd: Die Lustigen Blätter im Weltkrieg 1914/1918. Der publizistische Kampf eines deutschen Witzblattes, Emsdetten 1935 (Zeitung und Leben, Band XIX)
- Luckhardt, Ulrich: Lyonel Feininger Karikaturen, Köln 1998
- Moszkowski, Alexander: Das Panorama meines Lebens, Berlin 1925
- Schulz, Klaus: „Kladderadatsch“. Ein bürgerliches Witzblatt der Märzrevolution bis zum Nationalsozialismus 1848-1944, Bochum 1975
- Stead, Évanghélia / Védrine, Hélène [Hrsg.]: L’Europe des revues (1880-1920), Paris 2008
- Weise, Niels: Der 'lustige' Krieg. Propaganda in deutschen Witzblättern 1914 - 1918, Rahden 2004 (Historische Studien der Universität Würzburg, 3)